Sarg auf Wellen

Die vergangene Nacht habe ich in einer Art Sarg auf Wellen verbracht. Da ich hier schreibe, überrascht es nicht, dass ich überlebt habe. Wobei es angesichts der Umstände schon überraschend ist, irgendwie. Um Touristen zu verwirren, nennt man das Ganze allerdings nicht Sarg auf Wellen, sondern Nachtboot. Selbiges musste ich aus Zeitgründen auch noch ausgerechnet in der Nacht des befürchteten Tsunamis nach dem Sumatra-Erdbeben besteigen, um von einer Insel im Golf von Thailand aufs Festland überzusetzen. 

Man stelle sich das Ganze so vor: Ein von außen bunt bemaltes Holzboot, das keinerlei Sicherheitseinrichtungen besitzt. Man besteigt das Boot bei Dunkelheit (vermutlich, damit die Passagiere nicht zu viel von dem Elend erkennen können) über eine wackelige Holzlatte, die Boot und Hafen verbindet. Es gibt zwei Decks, die ebenfalls nur aus löchrigen Dielen bestehen. Ich hatte Ticket Nummer 103 und damit dummerweise das Lower-Lower Deck erwischt.

Man steigt über Bretter in den Schiffsbauch hinunter und findet zwei Ebenen vor, mit etwa einem Meter Abstand voneinander. Unten liegen Matratzen Seite an Seite, oben liegen Matratzen Seite an Seite. Quasi ein Matratzenlager, getarnt als gigantisches Etagenbett für 60 Menschen. Der Begriff Matratze ist irreführend, handelt es sich doch um 50 Zentimeter breite Dinger, die eher an Yogamatten erinnern. Die liegen also ohne Abstand nebeneinander. An die Wand darüber ist eine Nummer gemalt. So findet man dann sein Bett für die Überfahrt. 50 Zentimeter Platz sind selbst für Normalmenschen nichts. Da stoßen Schultern an Schultern. Wenn sich niemand bewegt. Größere oder breitere Menschen haben gar keine Chance, auf ihrer Matratze zu bleiben. 

Ich hatte also Nummer 103, im unteren Teil des Lower Decks und damit vollkommen sauerstofffrei. Dafür direkt am offenen Maschinenraum. Das Dröhnen wurde durch Ohrstöpsel nicht einmal ansatzweise gedämpft. Von Motorengestank und extremer Hitze ganz zu schweigen. Wer auch immer in Versuchung gerät, dem rate ich: Lieber das Visum um einen Tag überziehen, als mit dem Nachtboot überzusetzen. Man trifft zwar nette Leidensgenossen, in meinem Fall zwei Finninnen, die nordisch-groß noch mehr Platzprobleme hatten als ich, aber schön ist so eine Überfahrt wirklich nicht. Immerhin: Wieder was erlebt. Reicht aber einmal. 

Schön aber: Nächtliches Wetterleuchten auf hoher See. Habe ich beim Luftschnappen an Deck erblickt. Mein Sargplatz war natürlich fensterlos.