Gemütsschlägerei

Tage, an denen wenig zu tun ist, schlagen mir aufs Gemüt. Das schreibe ich deshalb, weil ich die Formulierung „aufs Gemüt schlagen“ so selten benutze, sie aber ganz bezaubernd finde. Ernsthaft schlimm ist sie nicht, diese Gemütsschlägerei; aber wenn ich nicht zur Ruhe komme, ist alles einen Tick positiver.

Daher bemühe ich mich um Beschäftigung, die gestern folgendermaßen aussah: Ich verbrachte neun Stunden in einem Auto. Den Transfer eines Abreisenden nutzend, fuhr ich mit in Richtung Süden der Insel. Das sind dann schon mal vier Stunden durch die Höhen und Tiefen Balis. Man muss dazusagen, dass Autofahren hier eher spannend ist. Das Lenkrad des Autos steht auf neun Uhr, also quasi um 90 Grad nach links gedreht. Wenn es geradeaus fahren soll. Dazu ist die Lenkung aktuell ausgeschlagen und rumpelt und tackert. Das Lenkrad an sich eignet sich derweil hervorragend für eine Handmassage, und den Schalthebel zu bedienen, lässt sich mit dem Umrühren eines großen Topfes dickflüssiger Suppe vergleichen. Die Lenkung hat zudem so viel Spiel, dass man getrost knapp 70 Grad rechts oder links drehen kann, ohne dass sich der Wagen bewegt. Kurz: Das Auto fährt sich wie ein Boot.

Ich saß allerdings nicht am Steuer; Fahrten in den Moloch von Kuta mache ich nicht selbst, da lasse ich lenken. Ich legte mich auf der Hinterbank ab und ließ mich also bei gefühlten minus 10 Grad (Klimaanlagen sind hier sehr in) dick in Soft-shelljacke eingemummelt durch Serpentinen gondeln. Diese machen ihrem Namen alle Ehre. Die Straßen sind so breit wie kleine Einliegerwege in Deutschland, werden aber in beide Richtungen von Lkw, Autos und Mopeds mutig gleichzeitig befahren, gerne auch mehrspurig. Die Kurven sind wirkliche Kurven, das heißt, man sieht weder, was einem entgegenkommt, noch wie steil es weitergeht. Daher wird viel gehupt, wenn man mit viel Tempo in selbige brettert, in der Hoffnung, der andere kann dann noch bremsen (was völlig unrealistisch ist, aber man sollte einfach nicht drüber nachdenken).

Nach Kuta ging es noch durch Denpasar für einige Erledigungen, und dann nutzte ich den Süden, um Tanah Lot zu erkunden und möglicherweise ins Ausflugsprogramm aufzunehmen. Tanah Lot ist ein Wassertempel, sehr bekannt. Als ich ankam, war ich entsetzt: Touri-Stände zuhauf, schreckliche Buden, Massenabfertigung. Ich durchschritt den Markt des Grauens (wobei ich, ehrlich gesagt, mit einem oberpeinlichen Bintang-Tanktop liebäugelte) und lief, das Schlimmste erwartend, auf den Tempel zu. Und dann – zack – war ich besänftigt.

Tanah Lot. Foto: cku

Schön, aber nur bei Ebbe zu betreten: Tanah Lot. Foto: cku

Der Tempel ist super schön, allerdings an diesem Tag wegen der Gezeiten nicht von innen zu besichtigen. Drum herum auf Landseite sind Restaurants angeordnet, und zwar ganz geschmackvoll. Dazu gibt es eine Art Parkanlage, durch die man flanieren kann und viele kleine andere Tempel. En top gibt es eine super Aussicht auf Tempel und wellenumtoste Küstenlinie. Also: Tanah Lot ist trotz des touristischen Entrées sehr zu empfehlen. Mehr Fotos gibt es hier.

Neben der eigentlichen Sehenswürdigkeit wurde auch ich zu einer solchen. Eine Gruppe Asiaten fragte höflichst, ob sie denn ein Foto mit der Miss machen dürfe. Und so werde ich vermutlich als sehenswertes weißhäutiges Exemplar in koreanischen Fotoalben auftauchen. Sehr verschwitzt, sehr verkrampft lächelnd und sich sehr amüsierend.

Auf dem Rückweg durch den Markt des Grauens schaffte ich es, an dem Bintang-Shirt vorbeizulaufen, mit dem ich für mich geliebäugelt hatte, wobei ich jedoch fast ein anderes als Geschenk gekauft hätte für den Bintangmittrinker der letzten Wochen: olivgrün, sehr dekorativ. Nur leider jetzt von hier aus kaum zum möglichen Besitzer zu transportieren. Stattdessen kaufte ich für 2,50 Euro eine Pumphose, von der ich nie geglaubt hätte, sie tragen zu wollen. Dunkelblau, weit, klassischer Öko-Aladdin-Style. Aber: Super gemütlich und moskitoabhaltend. Ich erntete, zurück zu Hause, irritiert-belustigte Blicke. Wie ein „Meditation Girl from Ubud“ sähe ich aus, hieß es grinsend. Mich erinnert mein Look – ich kombinierte die sehr weite Hose mangels Alternativen (meine engen Tanktops werden gerade als Vorlage für neue Shirts verwendet und sind derzeit außerhäusig) mit einer sehr weiten und langen weißen Bluse – eher an einen Schlafanzug, aber das macht ja nix. Nun bin ich also zumindest optisch ein bisschen Ohmmmm. Dass die Hitze meinen Klamottengeschmack durcheinanderwirbelt, hat sich ja bereits vor zwei Jahren schon gezeigt. Vielleicht lasse ich mich dieses Mal sogar zu einem Beweisfoto hinreißen. Nach der Sache mit dem Blümchenkleid ist meine modische Reputation ohnehin gegessen.

Mit der neuen Beinbekleidungsware im Gepäck wurde ich dann noch stundenlang durch das Landesinnere verschifft, samt diverser unfreiwilliger Verfahr-Abstecher, und dann zum Weltkulturerbe, den Reisterrassen von Jatiluwih. Leider war das Fotolicht nicht mehr so dolle; sehr später Nachmittag, und über den Bergen zogen die Wolken auf. Meerumtoste Tempel geben mir persönlich allerdings ohnehin mehr als grünbewachsene Felder. Angucken kann man sie sich aber trotzdem, wenn man schon mal da ist.

Die Reisterrassen von Jatiluwih gehörten zum Weltkulturerbe. Foto: cku

Die Reisterrassen von Jatiluwih gehören zum Weltkulturerbe. Foto: cku