Die Geister, die ich rief

Zurzeit denke ich viel an meinen Bizeps. Das soll mir helfen, endlich mindestens einen Klimmzug zu schaffen, wie ich großmaulig tönte vor einigen Wochen: Nach Bali kann ich einen Klimmzug, locker. Man muss wissen: Schon als 16-Jährige konnte ich keinen einzigen. Ich erinnere mich an eine Nacht in der Altstadt, in der ich das Gegenteil behauptete und von den Mitfeiernden kurzerhand an die Lüftungsrohre der Tiefgarage am Rheinufer gehängt wurde. Da hing ich dann und hing und hing. Ich bewegte mich keinen Millimeter nach oben.

Das wissend, gebe ich altersweise nicht mal mehr vor, einen Klimmzug zu schaffen. Können würde ich trotzdem gerne einen, echt, liebes Sport-Universum, ein einziger würde doch schon reichen. Sogar ein ganz kleiner. Immerhin habe ich derzeit die besten Voraussetzungen: Zwei Fitnesstrainer sind da. Und die sprechen von Kopfsache. Ich müsse an den Bizeps denken und bloß nicht „Uhh, das schaffe ich nicht.“ Also denke ich jetzt mal immer wieder an den Bizeps. Sie haben nicht gesagt, dass ich dabei trainieren muss.

Die wirklichen Fragen sind allerdings andere. Momentan bekomme ich viel Geisterbesuch. Das ist in einem Land, in dem bei jeder Opfergabe für die Götter auch eine für die Dämonen abgestellt werden sollte, damit diese nicht beleidigt sind, nicht sonderlich verwunderlich. Zumal ich an Nyepi im Zimmer Licht anmachte, was per se ja schon mal mutig ist und offenbar die Toten auf den Plan rief. Allerdings bekomme nur ich diesen Besuch. Da man den gemeinen Geist ja nicht sehen kann, gibt es in Indonesien eine andere äußerst sichere Methode, ihn zu merken, wie ich jetzt erfuhr: Gänsehaut. Die kriegt nämlich nur derjenige spontan, an dem gerade ein Geist vorbeiläuft/huscht/schwebt, ich weiß jetzt nicht so genau, was die bevorzugte geisterliche Fortbewegung ist.

Der Kreislauf der buddhistischen Reinkarnation: Links beim Fötus fängt es an und geht dann im Uhrzeigersinn bis zum Skelett, um dann wieder von vorne zu beginnen. Foto: cku

Der Kreislauf der Reinkarnation: Links beim Fötus fängt es an und geht dann im Uhrzeigersinn bis zum Skelett, um dann wieder von vorne zu beginnen. Und irgendwas zwischen Skelett und Baby sucht mich derzeit gerne heim. Aber, ganz ehrlich: Da habe ich doch lieber einen Geist zu Besuch als diesen rosagewandeten Freddy-Mercury-Verschnitt in der Mitte. Hello, darkness, my old friend. Foto: cku

Gänsehaut habe ich viel, abends beim Essen (im Langarmshirt bei 35 Grad), auf dem Motorroller, nach dem Tauchen. Da muss einiges an Gespenstern unterwegs sein, was man aber nicht aussprechen sollte, das kommt nicht sonderlich gut an bei denen, die keine Gänsehaut haben. Das Wort „Hantu“ (Geist) zu sagen, sorgt für entsetzte Blicke und ebensolches Kichern (man kichert hier gerne, bei Ärger, Verlegenheit, Sorge). „Ibu Corrrriiiina, no say!“ Ich würde gerne erklären, dass sie keine Angst haben müssen vor den Geistern, die scheinen ja recht harmlos zu sein, wenn sie nichts anderes im Sinn haben als die Haut gänsig zu machen. Allerdings reicht dafür mein Indonesisch noch nicht, insofern begrüße ich den Geisterbesuch künftig im Stillen und stelle mir vor, wie ein indonesischer Hui Buh an mir vorbeischleicht und mir mit seiner rostigen Rasselkette zuwinkt. Ich hatte erwähnt, dass ich gefühlt eigentlich 23 bin, oder? An dieser Stelle würde ich gerne auf 8 reduzieren.