Quer durchs Nichts

Wer seines Autos überdrüssig ist, der fahre nachts gegen ein Kamel. Dann ist es nämlich selbst schuld – und der Autofahrer muss den Schaden nicht bezahlen. Tagsüber allerdings sollte man dringend beachten, wenn man auf der Straße angeblinkt wird: Meist wird man damit nämlich vor Kamelen gewarnt, die über die Straße laufen. Und weil’s hell ist, liegt die Schuld beim Autofahrer – sofern der die Kollision überlebt. So ein langbeiniges Kamel kracht schon mal gerne durch die Windschutzscheibe.

Schauen Sie aus dem Beifahrerfenster, und Sie sehen... oh, ein Kamel. Foto: cku

Schauen Sie aus dem Beifahrerfenster, und Sie sehen… oh, ein Kamel. Foto: cku

Das muss man wissen, wenn man zwei Tage lang unterwegs ist, um mehr als 1000 Kilometer gen Süden zu fahren und dann dieselbe Strecke am nächsten Tag wieder zurück. Und das alles quer durch die Wüste, allerdings auf einer asphaltierten Straße.

Die Umgebung: Das reine Nichts.  Rechts platter, trockener Boden, links platter, trockener Boden, der sich allein in seiner Beschaffenheit (dickere Steine, kleinere Steine) und Farbe  (von rötlich-beige bis hell-beige zu beige-beige) unterscheidet.  Wir wurden gewarnt: Auf jeden Fall an jeder Tankstelle anhalten und volltanken. Wer weiß, ob die nächste geöffnet ist. In der Wüste zu stranden, ist kein Vergnügen. Selbst im klimatisierten Auto ist die heiße Luft zu spüren, die draußen herrscht. Sollte man eine Panne haben, ist genügend Sprit wichtig, damit die Klimaanlage weiterläuft.  Schatten gibt es nicht; nicht einmal ein winziger Strauch ist zu sehen.

Auf der Rückbank steht eine Kühlbox mit literweise Wasser. Man weiß ja nie.

Die Fahrt an sich ist ungewöhnlich: Wir bringen vier Anker, Ankerketten und Bootsbatterien nach Salalah zu einer Tauchschule, die das Zeug dringend braucht und es dort im Süden nicht organisieren kann auf die Schnelle. Die Zuladungsmasse geht an die 700 Kilo, der Wagen leuchtet eher den Himmel an als die Straße. Nachts um 3 Uhr geht es los, vor uns eine Strecke, auf der man vor allem damit beschäftigt ist, nicht einzuschlafen. Bei Tempo 120 und nichts zu sehen, was wach halten könnte, ist das eine respektable Aufgabe. Etwas lästig: Das Auto – wie alle hier – ist so eingestellt, dass es bei Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit nervtötend piept. Wer Gas gibt, sollte also iPod und Ohrstöpsel dabei haben.

Die Wüste ist keine Sandwüste, sondern steinig. Es gibt nicht mal einen Strauch, hinter dem man sich verstecken könnte.  Richtung Norden sind Wüstenausläufer zu erkennen, die so aussehen, wie eine standesgemäße Bilderbuchwüste eben aussehen muss: rötliche Sanddünen en masse. Hübsch.

Es gibt zwischendurch immer wieder so etwas wie Fata Morganas: Die Straße vor uns sieht aus, als sei sie nass. Oder von Sand verweht. Ist sie aber nicht. Skurril. Nach elf Stunden Fahrt sind wir da – und erleben eine Überraschung. Der Süden des Landes ist zu einer bestimmten Zeit des Jahres extrem grün – und zwar sehr plötzlich: Da fährt der geneigte Reisende stundenlang durch die Wüste, dann einen steinigen Berg hoch, und oben – zack – sieht es sofort aus wie auf der Schwäbischen Alb. Inklusive schwarz-bunten Kühen. Unfassbar.

Nach zehn Stunden Wüste geht's über einen Berg Richtung Salalah. Der ist irgendwie eine klimatische Grenze: Dahinter sieht es aus wie auf der schwäbischen Alb. Foto: cku

Nach zehn Stunden Wüste geht’s über einen Berg Richtung Salalah. Der ist irgendwie eine klimatische Grenze: Dahinter sieht es aus wie auf der schwäbischen Alb. Foto: cku

Der Rückweg gestaltet sich ähnlich: Statt Anker haben wir allerdings dieses Mal 600 Kilo Tauchblei an Bord – das sich jedoch besser verteilen lässt und den Wagen nicht so offensichtlich tieferlegt.

Innerhalb von 36 Stunden einmal quer durchs Land – anstrengend, aber gut.  

  • Veröffentlicht in: Oman