Das Glück der Galionsfigur

Boot, galionsfigurbefreit. Einer muss ja fotografieren. Foto: cku

Bug, galionsfigurbefreit. Einer muss ja fotografieren. Foto: cku

Die Sonne hängt schon längst im Westen, als das Boot Richtung Osten ablegt. Ganz vorne, wo die Planken weißgestrichen sind, die Farbe aber abblättert und in Fetzen an der salzwasserwarmen Haut kleben bleibt, da sitzt jemand, eine zu hoch positionierte Galionsfigur; eine menschliche, beseelt von Seemannsglück, deren Beine links und rechts der Bugspitze baumeln und immer wieder nassgespritzt werden, wenn das Boot durch die Swells gleitet und sich dabei hebt und senkt wie der Brustkorb eines tief atmenden Schlafenden.

Steuerbord recken sich grünbewachsene Berge gen Himmel, um auf halber Höhe in den Wolken abzutauchen, als wollten sie verschämt ihre Gipfel verstecken im wattigen Grau, das sie aufnimmt und unsichtbar macht. Backbord ist nichts außer der Weite des Meeres, die mit einer klaren Linie, dort, wo das Wasser mit dem Himmel um den besten Platz am Horizont streitet, eine Illusion der Endlichkeit erschafft, aber doch so unendlich ist.

Die Galionsfigur ist viel mehr als berührter Zuschauer; sie atmet mit dem Auf und Ab des Bootes und somit den Atem des Meeres. Das Meer fängt auf mit seinen Wogen der Geborgenheit, die ein Vertrauen erwecken, das unerschütterlich ist. Auf dem Meer ist sie so gut aufgehoben wie sonst nirgends. Das Meer, selbst wenn es tosen will und so sehr tobt, dass Wellenberge die Sicht auf den Himmel versperren, wenn es rauscht und schäumt und hin und her wirft mit unbändiger Kraft, bleibt Fels in jeder Brandung, die es selbst erschafft.

Es macht zufrieden mit seiner Schwere, die dunkelblau von unten schimmert. Es macht ruhig mit seiner Kraft, die sich im Rhythmus der Wellen spiegelt. Es macht ehrfürchtig mit seiner Weite, die auch hinter der nächsten Woge nicht endet. Es macht dankbar mit seiner Existenz, die greifbar ist aber unfassbar. Es macht glücklich, dieses Meer. Ehrlich glücklich.