Irland – unterwegs im Land der sympathischen EM-Fans

Aktuell liebt jeder die Iren, weil sie französische Babys in den Schlaf singen und selbst dann feiern, wenn ihre Mannschaft Gegentore kassiert. Ich mag die Iren auch. Sehr. Wegen ihres Humors.

Lange Straßen, auf denen Busfahrer David viel Zeit zum Geschichtenerzählen hat. Foto: cku

Lange Straßen, auf denen Busfahrer David viel Zeit zum Geschichtenerzählen hat. Foto: cku

Vor einer Woche diese Reise durchs County Donegal, im Norden der Insel, jedoch nicht in Nordirland, bestach Busfahrer David durch sein großes Mitteilungsbedürfnis. David entriss dem irischen Tourguide ständig das Mikro, um es sich dann viel zu dicht selbst vor die Lippen zu halten, so dass viel Knarzen und Kratzen zu hören war, und begeistert von seiner Heimat zu erzählen, durch die er da gerade fuhr.

Das Ding ist allerdings, dass ich das lediglich vermute. Sein Englisch war derart breitakzentet, dass maximal 20 Prozent der Geschichten zu mir durchdrangen. Es ging unter anderem um den Nikolaus, der nach dem Weg fragte und gesagt bekam „hinterm Nordpol links“ (brüllendes Kratz-Knarz-Mikrogelächter von David an dieser Stelle), wobei ich auch deshalb nicht so genau hinhörte, weil David beim Erzählen das Mikro mit der linken Hand vor den Mund presste und mit der rechten Hand wild gestikulierte. Wohlgemerkt, er war der Busfahrer.

Spiel: England gegen Wales. Man schaut es in "Farren's" Bar in Malin Head und ist mäßig interessiert Oben rechts: wilde EM-Beflaggung. Foto: cku

Irland hält „eher zu Wales“, so die Auskunft auf Nachfrage beim Spiel England gegen Wales. Man schaut es in „Farren’s Bar“ in Malin Head und ist mäßig interessiert Oben rechts: wilde EM-Beflaggung. Foto: cku

Die irische Begleitperson flüsterte in einem ruhigen Moment, dass auch sie nur sehr, sehr wenig von den Geschichten verstehe, diese ländliche Irisch, puhh, für jemanden aus Dublin fast schon fremdsprachenähnlich. David Geschichten schienen aber ausnehmend komisch zu sein, denn er gluckste sich ständig selbst vergnügt in die Erzählereien, um dann in diese dreckig-rauchige Kneipenlache zu wechseln, die es in Tarantino-Filmen gibt oder in Ländern, die in irgendeiner Form mit dem britischen Königshaus zu tun haben. Und sei es nur, weil sie an ein Land grenzen, das zum Königreich gehört.

Das ist im Übrigen bei der Irland-Tour daran zu erkennen, dass der Fahrbahnbegrenzungsstreifen oder wie das Ding heißt, weiß und durchgezogen ist. In der Republik Irland ist er gelb gestrichelt. Ansonsten unterscheiden sich Norden und Republik rein optisch nicht sonderlich, die Fußballbegeisterung indes ist unterschiedlich ausgeprägt: Die Republik hat mit Soccer eigentlich gar nichts am Hut, nationalteamunterstützende Beflaggung war nur in kingergeburtstagsgrößentauglicher Girlandenform indoor auszumachen. Outdoor wehte bis auf einen rauen torfgeschwängerten Wind rein gar nichts.

Grün an Grau in alles Schattierungen. Foto: cku

Grün an Grau in allen Schattierungen. Foto: cku

Vermutlich sind all jene Iren, die auch nur ansatzweise an Fußball interessiert sind, derzeit in Frankreich und besingen französische Mädchen oder picken Müll von Grünflächen.

Unbeschmutztes Grün kennen sie nämlich bestens, das erinnert an die Heimat, die mit Grüns und Graus in allen Schattierungen aufwarten kann und genau deswegen so schön ist und so speziell. Noch schöner als ihre Insel, das flüstere ich aber lieber in für sie hoffentlich schwierig verständlichem Oxfordenglish, finde ich diese wahnsinnige Lebensfreude der Iren und die Begeisterung für das eigene Land und seine Geschichte.

Ist das Kunst oder...? Foto: cku

Ist das Kunst oder…? Foto: cku

Der Nikolaus-Gag, so stellte sich übrigens heraus, nachdem David wieder das Mikro an sich genommen und gestikulierend auf etwas in Fahrtrichtung deutete und dabei „thärr, ärr“ und ähnliche Laute erklärend anfügte, war wortspielbasiert. „The North Pole“ heißt ein Pub in einem irischen Örtchen. Dahinter dann links, lieber Nikolaus, höhöhö!

Irland-Fotos gibt’s hier.