Eine beliebte Freizeitbeschäftigung des gemeinen Curaçaoers ist es, mit einem vollbesetzten Auto an einen Strand zu fahren, zu gucken und wieder wegzufahren. Das kann tagsüber sein, nachts – eigentlich immer. Der Fahrer hat seinen Sitz dabei so eingestellt, dass er alles unterhalb des Lenkrads sehen kann, jedoch nichts darüber. Die Lehne muss einen möglichst großen Winkel haben, im Idealfall quasi Liegeposition. Erst dann wird es standesgemäß cool. So legt man sich dann also kurz an den Strand, zumindest im übertragenen Sinne, guckt. Und fährt sofort wieder weg. Vermutlich zum nächsten Strand, um dort das Ritual zu wiederholen.
Eine Theorie meinerseits ist, dass die Herrschaften nicht den Strand anschauen, sondern an welchen Autos sie am besten die Seitenscheiben einschlagen können. Das ist natürlich die böseste aller Variationen, aber die Autoglassplitter an den Parkplätzen deuten auf eine gewisse Richtigkeit hin. Der normale Autoeinbrecher fackelt hier nämlich nicht lange, sondern schlägt direkt die Scheibe ein, selbst wenn das Auto unverschlossen ist. Das passiert in schöner Regelmäßigkeit, weil immer wieder Touristen eine leere Tasche im Auto lassen, die verheißungsvoll daherkommt, auch wenn nichts drin ist außer schmutziger Handtücher. Daher bläut man Urlaubern ein, die Autos nicht nur offen, sondern auch die Scheiben runtergekurbelt zu lassen, um den karibischen Autoknackern die Arbeit zu erleichtern und sich selbst eine hohe Selbstbeteiligungsversicherungssumme zu sparen.
Sie sind aber ansonsten wirklich sehr nett, die Einheimischen, da gibt es nichts anderes zu sagen; nicht, dass das an dieser Stelle missverstanden wird. Nur die Sache mit den Eigentumsverhältnissen sehen sie halt nicht ganz so eng. Das immerhin ist auch untereinander bekannt: Sämtliche der bonbonbunten Häuser sind großflächig vergittert, ein Hochsicherheitsgefängnis ist nichts dagegen – falls mal wieder jemand denkt, dass sich der Besitz des anderen doch ganz gut bei ihm selbst machen würde. Offen sind hier nur die Kirchentüren, selbst der Friedhof ist vergittert, was wiederum zu denken gibt.
Mich nennen sie, und damit meine ich die örtlichen Herren im Allgemeinen, nicht die lokalen Einbrecher im Speziellen, gerne „Dushi“, was „süß“ heißt. Darauf muss man sich aber nicht sonderlich viel einbilden, hier ist ziemlich viel „dushi“; was den Holländern ihr „lekker“ ist den Curaçaoern ihr „dushi“. „Hey, Dushi“, grüßt mich beispielsweise der Chef eines Hotels jeden Morgen. Vielleicht aber auch nur, weil er sich meinen Namen nicht merken kann – scheint ja schwierig zu sein, ich erinnere an die Starbucks-Vorfälle.
Was die Inselbewohner sonst noch tun, außer zu Stränden zu fahren und mich „Dushi“ zu nennen: Sie schießen Leguane von den Bäumen, die hier als Plage gelten. Nicht die Bäume, sondern die Leguane. Und essen sie, „Green Chicken“, soll wie Hühnchen schmecken das Ganze. Allerdings sind nicht nur die Menschen an kulinarisch offenbar köstlichen Echsen interessiert, sondern auch Katzen. Neulich raste eine Katze hinter einem panischen Iguana her. Links über den Parkplatz unter den Autos durch, rechts über den Parkplatz unter den Autos durch. Man muss sich rennende Echsen vorstellen wie einen alten Citroen, und zwar diesen, der sich automatisch hochbockt, bevor er losfährt. Das machen die Echsen auch. Sonst eher bodennah unterwegs, strecken sie beim Rennen die Beine durch und watscheln in einem irren Tempo. Die Katze kam nicht hinterher, der Iguana raste in die Tauchbasis und suchte Zuflucht hinter einem Schrank, wo er sich dann totstellte und rausgetragen werden konnte.